Das moderne Leben ist geprägt von Visualisierungen. Bewegte und unbewegte Bilder beherrschen unser Leben. Unser Gehirn verarbeitet Bildinformationen wesentlich schneller als Text oder Zahlen, weil die Visualisierung einen zusätzlichen Wahrnehmungskanal anspricht, der stärker ausgeprägt ist als der rationelle Teil, der für Lesen und Rechnen zuständig ist. Bilder vermitteln mehr Informationen und werden schneller aufgenommen als Text. In der Präsentation werden die Informationskanäle Wort und Bild kombiniert, und das ist nach wissenschaftlichen Erkenntnissen die optimale Form der Visualisierung.
Was das mit Excel zu tun hat? Excel ist das sicher meistbenutzte Werkzeug für Diagramme und Geschäftsgrafiken, und solche werden zur Visualisierung von Geschäftsdaten eingesetzt. In der Praxis beschränkt sich diese „Kunst“ aber meist auf einfache Säulen-, Torten- und Liniencharts mit vielen bunten Farben und Effekten vom Farbverlauf im Hintergrund bis zur 3D-Achse. Entsprechend spannend sind dann die Berichte und Präsentationen – die Bilder zeigen Zahlen statt Botschaften, und die Diagramme werden für den Transport von Informationen missbraucht.
In unserem Buch „Das große Excel-Handbuch für Controller“ zeigen wir, welche wichtige Rolle die Visualisierung im Berichtswesen (Reporting) spielt, wer die wichtigsten Grundlagen definiert hat und welche Standards es gibt. Zahlreiche Beispiele verdeutlichen, wie Excel-Diagramme generiert werden, die ihre Botschaften an den Empfänger bringen. Dieser Beitrag enthält einen verkürzten Auszug aus Kapitel 5 (Berichtswesen und Präsentation).
Visualisierung – der Begriff
Visualisieren bedeutet laut Duden, etwas optisch so zu betonen und herauszustellen, dass es Aufmerksamkeit erregt. Die Ziele der Visualisierung sind:
- komplexe Inhalte verständlich zu machen
- Informationen leichter und schneller erfassbar zu machen
- die wichtigsten Aussagen hervorzuheben
- den Erklärungsaufwand zu verkürzen
- Zusammenhänge zu verdeutlichen
In Zeiten, in denen es kein TV, keine Computer oder Smartphones oder ähnliche bilddarstellende Geräte gab, beschränkte sich Visualisierung auf die bildliche Darstellung durch Malen oder Zeichnen. Die Kartografie könnte noch als die älteste Form der Visualisierung bezeichnet werden. Die älteste kartografische Darstellung fand man im Jahre 1963 bei Ausgrabungen einer neolithischen Siedlung im türkischen Catalhöyuk. Die Wandmalerei zeigt die Siedlung um 6200 v. Chr (Quelle: atlantisforschung.de).
Die Himmelsscheibe von Nebra (1800 bis 1600 v. Chr) gilt als älteste konkrete Himmelsdarstellung, und die Wissenschaft ist sich sicher, dass schon vor mehr als 40.000 Jahren die Vorfahren der Aborigines für die Besiedlung Australiens brauchbare Seekarten angefertigt hatten.
Mit dem Einzug der Datenverarbeitung in die moderne Welt hat sich neben der reinen Bildinformation ein weiterer Informationstyp etabliert: Das Schaubild oder Diagramm, das – in der Regel komplexe – Zahlenmengen komprimiert und für den Betrachter interpretiert. Medien aller Art, ob Tages- oder Fachzeitung, Magazin oder Infobroschüre nutzen Säulen-, Balken-, Kreis- und Liniendiagramme, um Kernaussagen ihrer Artikel zu visualisieren. Die Macher der Infografiken in Magazinen wie Focus, Spiegel, Stern u. a. sind wahre Meister Ihres Fachs. Sie beherrschen die Kunst, Zahlen in Bilder zu verwandeln, Zusammenhänge und Verhältnisse lebendig und anschaulich zu präsentieren und die Botschaft sofort auf den Punkt zu bringen.
Historische Hintergründe der Geschäftsgrafik
Die ersten Graphen tauchten bereits im 10. Jahrhundert auf, zur selben Zeit, als Guido von Arezzo die zweidimensionale Notenliniennotation entwickelte. Nicolas von Cusa entwickelte im 15. Jahrhundert Diagramme zum Vergleich von Distanz und Geschwindigkeit, und die im Jahre 1644 von Michael Florent van Langren gezeichnete Schätzung der Distanz zwischen Rom und Toledo gilt als die erste statistische Grafik.
Im 17. Jahrhundert zeichnete René Descartes mathematische Funktionen auf Graphen und führte die analytische Geometrie ein.
William Playfair (1759 – 1823) gilt als der eigentliche Erfinder der Geschäftsgrafiken, er entwickelte die Linien-, Balken- und Tortendiagramme, wie sie heute noch in Gebrauch sind. 1786 veröffentlichte er in London seinen Commercial and Political Atlas mit 43 Zeitreihenanalysen und einem Balkendiagramm, das als erstes seiner Art gilt.
Der englische Arzt John Snow (1813 – 1858) erstellte eine Karte mit den Anhäufungen der Todesfälle bei der Choleraepidemie in London und wies damit nach, dass sich die Todesfälle im Bereich einer Wasserpumpe konzentrierten. Nachdem die Pumpe außer Betrieb genommen wurde, kam es zum Stillstand der Epidemie. Snows Karte gilt als erste visualisierte räumliche Analyse von Daten.
Wissenschaftlicher Hintergrund
Quelle: Visualisierung: Grundlagen und allgemeine Methoden, Heidrun Schumann, Wolfgang Müller, Springer Verlag
Die Visualisierung hat die Aufgabe, eine Datenmenge so zu präsentieren, dass eine Auswertung dieser Datenmenge möglich ist. Der Betrachter soll in die Lage versetzt werden, Informationen nicht nur zu sehen, sondern auch zu verstehen und zu bewerten.
Explorative Analyse | Hier gibt es nur Daten, die noch nicht interpretiert oder analysiert sind. Der Visualisierende arbeitet die Informationen und Strukturen dieser Daten heraus. Das Ergebnis ist eine Hypothese über die Daten und ihren Hintergrund. |
Konfirmative Analyse | Daten und Hypothese bilden die Grundlagen, für die eine geeignete Visualisierungsform gesucht wird. |
Präsentation | Auf dieser Stufe werden die erzielten Ergebnisse präsentiert und kommuniziert. |
Dreistufige Visualisierung
Daten visualisieren heißt, Bilder zu erzeugen, in denen die Eigenschaften der Daten deutlich werden. Dazu werden diese Eigenschaften auf visuelle Attribute abgebildet. Das Ziel ist, die in den Daten verborgenen Zusammenhänge darzustellen, und dazu kann die Information in drei Stufen untergliedert werden:
- Elementare Stufe: Die Information wird in direkter Form abgebildet, zu jeder Information existiert im Bild eine Repräsentation.
- Mittlere Stufe: Auf dieser Stufe werden die Informationen abstrahiert, das Wesentliche an der Information und die Ergebnisse der Untersuchung werden verdeutlicht.
- Obere Stufe: Das ist das eigentliche Ziel der Visualisierung. Die Gesamtheit aller in den Daten verborgenen Informationen wird dargestellt und dient somit als Grundlage für Entscheidungen.
Die Qualität der Visualisierung definiert sich durch den Grad, in dem die bildliche Darstellung das kommunikative Ziel der Präsentation erreicht. Eine ungeeignete oder falsche Visualisierung führt zu falschen Schlüssen und im Endeffekt zu fehlerhaften Entscheidungen.
Methoden zur Visualisierung und Präsentation
Zum Thema Visualisierung sind zwar Tausende von Büchern und Fachartikel veröffentlicht worden, aber auf der Suche nach den Kernaussagen stößt man immer wieder auf einige wenige Spezialisten, die diese geprägt haben. Einige Thesen sind bereits zu Zeiten entstanden, als Computer noch nicht in der Lage waren, Bildinformationen anzuzeigen.
- Das Pyramidenprinzip von Barbara Minto
- Die Grundlagen der Informationsvisualisierung von Edward Tufte
- Die Grundlagen der Diagrammgestaltung von Gene Zelazny
- Die SUCCESS-Methode von Prof. Dr. Rolf Hichert
Pyramidenprinzip (Barbara Minto)
Die Grundlage für eine erfolgreiche Präsentation ist die hierarchische Anordnung von Gedanken, Thesen und Argumenten. Barbara Minto hat während ihrer Zeit bei McKinsey das Pyramidenprinzip entwickelt, eine hierarchisch strukturierte Denk- und Kommunikationsmethode für die Entwicklung von Berichten und Präsentationen. Nach diesem Prinzip beginnt die Kommunikation immer mit einer Kernaussage, die anschließend mit Details untermauert wird. Im Unterschied zum klassischen Trichtermodell, das die Details eines Prozesses auflistet und daraus die Aussage ableitet, stellt die Minto-Pyramide das Ergebnis in den Vordergrund, was bei Managementberichten und Präsentationen häufiger der Fall ist.
Link: www.barbaraminto.com
Buchtipp: Barbara Minto: Das Prinzip der Pyramide, Pearson Studium, München u. a., 2005, ISBN 3-8273-7189-9
Das Prinzip der Geschäftsgrafik (Edward R. Tufte)
Mit dem Buch The Visual Display of Quantitative Information hat Yale-Professor Edward R. Tufte einen Standard für die Visualisierung von Informationen mit Grafiken gesetzt. Die meisten Thesen, die heute zum Thema Management-Reporting verbreitet werden, beinhalten im Kern die Aussagen von Tufte, nicht zu Unrecht wird er auch der „Vater der Geschäftsgrafik“ genannt. Von ihm stammt der Ausdruck „chartjunk“ (Diagrammschmutz), der nutzlose Diagramme und Grafiken mit geringen oder informationsverfälschenden Inhalten anprangert.
Nach Edward Tufte soll eine Grafik, die Daten zeigt, den Betrachter dazu anregen, über die Substanz der Informationen nachzudenken und nicht über die Art der Präsentation. Hier einige Zitate:
- Nehmen Sie an, dass das Publikum intelligent ist (Zitat von E. B. White).
- Muten Sie dem Betrachter keine verdummenden Daten zu, erlauben Sie ihm, seine Fähigkeiten einzusetzen, um das Maximum an Informationsgehalt aus Ihren Präsentationen zu ziehen.
- Grafiken sind sichtbar gemachte Intelligenz.
- Verwenden Sie Bilder nicht, um Zahlen zu dekorieren.
- Eine Grafik, die große Datenmengen zusammenfasst, kann dies aus verschiedenen Perspektiven tun: Ursache und Wirkung, Beziehungen, Parallelen, Vergleiche.
Mit Grafiken lügen
Die Grafik muss die Wahrheit über die Daten sagen. Das alte Vorurteil von der lügenden Statistik kommt sicher nicht von ungefähr, und Grafiken sind besonders anfällig für gewollte oder ungewollte Täuschungen. Unter Beachtung einiger Grundregeln werden Grafiken „lügenfrei“:
- Beschriftungen müssen klar und eindeutig sein.
- Große Zeitabschnitte dürfen in einem Diagramm nicht mit kleinen Perioden verglichen werden, Zahlen, die miteinander nichts zu tun haben, sollten auch nicht vermischt werden. Ein häufiger Fehler ist auch, die Unterschiede oder Ähnlichkeiten durch die Größe oder Aufmachung der Grafik aufzubauschen.
- Ein Diagramm sollte nicht Teile eines Datenbestandes zeigen und damit verhindern, dass relevante Daten aus anderen Teilen zum Vergleich benutzt werden können. Es sollte vertikale Skalierungen nicht übertreiben oder untertreiben, der Ersteller sollte gleiche Maximal- und Minimalwerte für alle Skalen verwenden.
- Daten müssen präzise sein: Eine Beurteilung, ob ein Produkt besser oder schlechter ist, macht nur Sinn, wenn alle relevanten Faktoren berücksichtigt sind und den Unterschieden entsprechende Größenmaße angewendet werden.
- Zahlen sollten direkt proportional zu deren Darstellungsgrößen sein. Tufte berechnet einen Lügenfaktor aus der Größe des Eindrucks der Grafik geteilt durch die Größe des Eindrucks in den Daten. Eine Grafik, wie in dieser Abbildung gezeigt, dürfte einen sehr hohen Lügenfaktor haben, da die Zunahme der Werte nur grafisch, aber nicht nach ihrer Wertigkeit stark erhöht ist.
Link: www.edwardtufte.com
Buchtipp: Edward Tufte: The Visual Display of Quantitative Information, Graphics Press, Cheshire, CT, Erstauflage 1983
Wie aus Zahlen Bilder werden (Gene Zelazny)
Mit seinem ersten Buch Say it with charts hat Gene Zelazny, Direktor für visuelle Kommunikation bei McKinsey & Company, Maßstäbe für die Gestaltung von Geschäftsgrafiken gesetzt. Das Buch gibt es seit 1986 in deutscher Auflage. Anhand einer fiktiven Präsentation zeigt Zelazny, welche Kardinalfehler in Präsentationen und im Einzelnen in den verwendeten Diagrammen gemacht werden:
- unlesbare Inhalte, unverständliche Beschriftungen
- zu viele Informationen, zu wenig Sachbezug
- geringe Informationen aufwendig gestaltet
Danach folgt die Erklärung, wie Diagramme passend zur Aussage (Botschaft) erstellt werden, und eine klare Strukturierung der Diagrammtypen, die alle einen Vergleich als Basis haben. Im zweiten Teil erhält der Leser die Anleitungen, wie die Diagrammtypen in der Praxis angewandt werden.
Fünf Diagrammformen und Vergleiche
Gene Zelazny leitet alle Diagrammtypen von den fünf Grundtypen für die Darstellung quantitativer Zusammenhänge ab.
Jede Aussage, die Sie vermitteln, enthält einen Vergleich, und für jeden dieser Vergleiche gibt es einen prädestinierten Diagrammtyp:
- Strukturvergleich
- Rangfolgevergleich
- Zeitreihenvergleich
- Häufigkeitsvergleich
- Korrelationsvergleich
Buchtipps: Gene Zelazny und Christel Delker: Wie aus Zahlen Bilder werden, Gabler Verlag Wiesbaden, 1986.
Gene Zelazny: Das Präsentationsbuch, übersetzt von Patricia Künzel, campus Verlag Frankfurt, 2009.
Geschäftskommunikation gestalten mit SUCCESS und IBCS
Prof. Dr. Rolf Hichert war u. a. Berater bei McKinsey, Gründer der MIK GmbH und Geschäftsführer der MIS Schweiz AG. Mit dem 2004 gegründeten Unternehmen HICHERT+PARTNER schuf er einen Standard für Management-Reporting. Unter dem Stichwort Management Information Design liefert Hichert die Grundlagen für eine erfolgreiche Geschäftskommunikation. Das SUCCESS-Konzept besteht aus sieben Regeln für die schriftliche und mündliche Kommunikation, der Begriff HI-NOTATION® steht für die Gesamtheit der Gestaltungsempfehlungen im Management-Reporting. HICHERT®SUCCESS ist ein Regelwerk für die konzeptionelle und visuelle Gestaltung erfolgreicher Geschäftskommunikation nach den International Business Communication Standards (ICBS).
Für die Visualisierung von Geschäftszahlen setzt Hichert ausschließlich auf Excel-Diagramme und verzichtet dabei fast vollständig auf Unterstützung durch die VBA-Makroprogrammierung. Damit haben Anwender seiner Methode die Möglichkeit, aussagekräftige Diagramme mit den „Bordmitteln“ von Excel zu erstellen.
Aus SUCCESS ist mittlerweile IBCS (International Business Communications Standards) geworden: www.ibcs.com
Kreativität und Beliebigkeit haben im Managementbericht nichts verloren. Klare Botschaften, Standards und Reduzierung auf das Wesentliche kennzeichnen die Berichte nach SUCCESS. Die SUCCESS-Regeln gelten sowohl für schriftliche (z. B. Berichte, Statistiken) als auch mündliche Formen (z. B. Präsentationen) der Geschäftskommunikation. Die Wirksamkeit von Präsentationen kann durch den fachgerechten Einsatz von Schaubildern deutlich gesteigert werden. Dagegen führt die unsachgemäße Verwendung von Visualisierungen leider sehr häufig zu Widerständen und Missverständnissen in der Kommunikation.
Visualieren lernen
Wie Excel-Diagramme sinn- und stilvoll zur Visualisierung eingesetzt werden, lernen Sie im Fachbuch „Excel im Controlling“, das ich gemeinsam mit Prof. Dr. Uwe M. Seidel veröffentlicht habe. Erleben Sie uns „live“ in einem Spezialseminar und lassen Sie sich die besten Tipps und Tricks zu Excel im Controlling, Finanz- und Personalbereich oder im Projektmanagement zeigen. Termine finden Sie auf unserer Webseite unter Seminare.
Wie Excel-Diagramme sinn- und stilvoll zur Visualisierung eingesetzt werden, lernen Sie im Fachbuch „Excel im Controlling“, von Ignatz Schels und Prof. Dr. Uwe M. Seidel.