Business Intelligence und was Excel damit zu tun hat
9. Juni 2016
Mittlerweile erschienen: Business Intelligence mit Excel von Ignatz Schels. Hanser Verlag München
Power BI, Power Pivot, PowerQuery und Power for everyone – es powert ganz schön in letzter Zeit im Microsoft-Umfeld. Was kommt denn da auf den Excel-User zu? Dreht sich die Tabellenkalkulation jetzt nur noch um Reporting und Big Data? Wird uns die Zelle, in der wir jahrelang zu Hause waren, allmählich zu eng? Werfen wir einen Blick auf die Schlagworte und Produkte und analysieren wir sie nach Nutzen und Aufwand. Die Verwirrung ist groß und wird nicht kleiner, solange Microsoft in kurzen Intervallen neue Tools auf den Markt wirft und seine genialen Neuerungen gerne auch mal umbenennt oder wieder abschaltet.
Business Intelligence oder Self oder Social?
Fortschreitende Digitalisierung, totalitäre Datenerhebung von der Scannerkasse bis zum GPS-System, Datenhunger in allen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft – wir leben in einer Welt, in der Daten der wichtigste Treibstoff für Geschäftsprozesse sind. Die ständige und sofortige Verfügbarkeit von Geschäftsdaten ist für Unternehmen die Basis, um rechtzeitig Chancen zu erkennen, Risiken vorzubeugen und Entscheidungen zu treffen. Business Intelligence ist die Summe der Prozesse und Verfahren zur systematischen Datenanalyse in digitaler Form. Der Begriff tauchte 1958 erstmals im IBM Journal in dem Beitrag „A Business Intelligence System“ von Hans Peter Luhn auf, etabliert hat ihn die Gartner Group.
Für die Datenanalyse waren immer schon die Profis aus den IT-Abteilungen zuständig, nur sie können Datenbanken, Cubes und Data Warehouses erstellen und Datenmaterial gezielt für die Fachabteilung bereitstellen. Damit das in Zukunft der Manager oder der Controller selbst machen kann, wird BI-Software so benutzerfreundlich gemacht, dass auch nicht technisch versierte Benutzer mit vertretbarem Aufwand ihre Daten individuell zusammenstellen können. Und das nennt sich dann Self Service Business Intelligence.
Soziale Netzwerke sind ideale Plattformen für Massendaten, die Unternehmen für ihre Marketingstrategien brauchen. Was früher die Webseite war, übernehmen heute Facebook, Twitter und Instagram, und im Unterschied zu früher liefert der potentielle Kunde oder Verbraucher seine Daten freiwillig an die Wirtschaft ab. Twitter-Tweets und Facebook-Posts sind wertvolle Massendaten, die Auswertung von Big Data gehört zu den priorisierten Zukunftsaufgaben der Unternehmen. Und das heißt dann Social Intelligence.
Der moderne Mensch ist mobil und möchte seine Daten trotzdem ständig parat haben. Smartphones und Tablets gehören zur Ausrüstung des „Business warriors“, und Anbieter von BI-Software arbeiten mit Hochdruck an Apps für die mobile Datenanalyse. Den Begriff gibt es noch nicht, hiermit ist er erfunden: Mobile Intelligence.
PowerPivot: Das erste BI-Tool
Es begann mit einem internen Whitepaper, verfasst 2006 von Microsofts SQL-Server-Analysten Amir Netz. Die „BI-Sandbox“ sollte BI-Anwendungen einfacher machen, relationale und multidimenionale Datenbanken als Quellen integrieren und ein Reporting-Tool beinhalten. Die Microsoft-Datenbank Access war als Plattform anvisiert. Microsoft baute ein Team für die Umsetzung der Idee auf, nannte das Projekt Gemini und das Resultat hieß PowerPivot und war Teil des 2010 ausgelieferten SQL Server-Release 2008 R2. Parallel dazu wurde eine Version für Excel 2010 und eine SharePoint-Version gebaut. Excel 2010 hatte vorher noch ein besonders nützliches Werkzeug aus der PowerPivot-Entwicklung mitbekommen, den Datenschnitt (Slicer). Darauf hatten Excel-Anwender lange gewartet, denn der Berichtsfilter der PivotTables ist nicht der Weisheit letzter Schluss, er kann zwar mehrere Elemente filtern, zeigt aber die Filterkriterien nicht mehr an.
Das erklärt übrigens auch, warum Excel 2007 keine Datenschnitte hat – PowerPivot war 2007 einfach noch nicht fertig.
Für Excel 2010 gibt es PowerPivot als kostenloses Add-In (Download unter www.powerpivot.com), aber bei Excel 2013 ist das Tool Bestandteil des Programms. In Excel 2016 muss allerdings eine Enterprise-Version von Office 365 oder die Office-Professional-Version zum Einsatz kommen.
Bild 1: Abfallprodukt aus PowerPivot: Die Datenschnitte für PivotTables und Tabellen
PowerPivot ist die Lösung, wenn Datenmengen ins Spiel kommen, die Excel nicht bewältigen kann. Die Größe des Tabellenblattes täuscht: 1.048.576 Zeilen und 16.384 Spalten stehen zwar zur Verfügung, aber ab 100.000 Datensätzen wird es bei Excel eng mit der Performance, und PivotTables verweigern ihre Dienste bei großen Datenmengen noch viel früher.
- PowerPivot kann umfangreiche Datenmengen importieren, mehrere Millionen Datensätze in akzeptabler Geschwindigkeit aus ERP-Systemen, unterschiedlichsten Datenquellen (Datenbanken, OLAP-Cubes, CSV, Text …) laden und auswerten.
- PowerPivot ermöglicht Auswertungen mit den „Bordmitteln“ von Excel: PivotTable-Berichte, PivotCharts, Tabellen, Formeln und Funktionen. Für Berechnungen steht die Formelsprache DAX zur Verfügung.
- PowerPivot erkennt Verknüpfungen in relationalen Datenbanken, Measures und Dimensionen in Cubes. Beziehungen lassen sich verwalten und neu definieren, auch zwischen Daten aus unterschiedlichen Quellen.
- PowerPivot-Analysen lassen sich mit wenigen Klicks auf SharePoint-Server-Seiten veröffentlichen. Ressourcennutzung lässt sich nachverfolgen, für die Sicherheit sind umfangreiche Features verfügbar.
Bild 2: PowerPivot für große Datenmengen und verknüpfte Daten
PowerQuery – die Datensaugmaschine
Unter dem Codenamen Data Explorer tauchte 2013 die erste Version von PowerQuery auf. Ebenfalls in den SQL-Laboratories entwickelt, wird das Toll wieder für Excel 2010 als Add-In zum Download angeboten, ab 2013 gehört es zum Programm. In Excel 2016 verschwand der Name PowerQuery, das Daten-Register enthält eine Gruppe Abrufen und Transformieren mit den Werkzeugen von PowerQuery.
Bild 3: Zahlreiche Datenquellen stehen in PowerQuery zur Auswahl
PowerQuery holt wie PowerPivot die Daten aus unterschiedlichen Datenquellen, bereitet sie für die Analyse auf und speichert sie entweder im internen Datenmodell oder in Excel-Tabellen. Aus diesen werden sie über PivotTables oder mit PowerView oder PowerMap visualisiert bzw. nach Power BI transferiert. Die Auswahl der Datenquellen reicht von der einfachen Textdatei bis zum Cube, von SQL-Server bis Azure Marketplace. Selbst die Enbindung des Active Directory und des Exchange Mailservers ist kein Problem, PowerQuery kann damit auch Dokumentstrukturen und Mails, Kontakte, Termine etc. analysieren. Mit der Möglichkeit, Facebook-Daten abzurufen, stößt PowerQuery in den Bereich Social Intelligence vor.
Mit dem integrierten Editor analysiert PowerQuery die Daten, formatiert sie, löscht nicht Benötigtes und kombiniert bei Bedarf mehrere Abfragen über relationale Beziehungen. Alle Schritte werden in einer Art Makrorecorder aufgezeichnet und können in diesem editiert werden.
PowerView
Dieses Tool wird nach jüngsten Gerüchten wahrscheinlich nicht weiterentwickelt. PowerView ist ein Add-In für Excel 2013, das PowerPivot- und PowerQuery-Elemente zu Berichten zusammenfasst. PowerView basiert auf Silverlight, und Silverlight wird schon im Windows 10-Browser Edge nicht mehr unterstützt.
Bild 4: PowerView, das Berichtstool für PowerPivot und PowerQuery
PowerMap
Mit diesem Tool, das ab Excel 2013 in Excel integriert ist, können geografische Daten in 3D dynamisch visualisiert werden. Dazu stehen die Landkarten aus Bing Maps zur Verfügung, die Visualisierung umfasst Geschäftsdiagramme (Balken, Säulen), Zeitverläufe lassen sich wie Videos abspielen, die Daten können zu interaktiven Touren zusammengestellt werden. Ab Excel 2016 heißt das Tool 3D-Karten und ist im Einfügen-Register zu finden.
Bild 5: PowerMap visualisiert über Bing Maps
Power BI
Dass Microsoft seine Kunden in die Cloud holen will, ist kein Geheimnis. Mit Power BI macht der Softwareriese seinen größten Schritt dafür seit der Einführung von SkyDrive (OneDrive). Die Plattform für Self-Service-BI wurde 2014 als Power BI für Office 365 eingeführt, seit Januar 2015 heißt sie Power BI. Die Windows-Applikation Power BI Desktop kann kostenlos aus dem Netz bezogen werden. Aus dem Datenmodell von Excel werden die Daten transferiert und in wenigen Schritten in Berichte mit Geschäftsgrafiken umgewandelt. Wer die Cloud für seine Daten nutzen will, registriert sich für den Power BI Service oder Power BI Mobile.
Über Power BI werden wir in weiteren Beiträgen bei Hanser Update berichten.
Bild 6: Power BI Desktop für Datenmodelle aus Excel
Bild 7: Zahlreiche Visualisierungswerkzeuge in Power BI Desktop
Meine persönliche Einschätzung:
PowerQuery der Nachfolger von MS Query, das Datenabfragetool, das in die Jahre gekommen ist (MS Query ist ein Add-In, das für Excel Version 3.0 (!) geschrieben wurde. Ich habe mit MS Query bisher gute Resultate erzielt, besonders mit individuellen SQL-Anweisungen. Aber PowerQuery ist ein geniales Tool, das sehr viel Zeit und Arbeit sparen wird, besonders wenn unterschiedlichste Datenquellen im Spiel sind. Die ersten größeren Projekte haben aber gezeigt, dass es nicht fehlerfrei ist, Abfragen konnten zeitweise Formate nicht behalten oder Verknüpfungen nicht richtig aufbauen.
PowerPivot ist eine Nummer größer, aber unverzichtbar, wenn Ihnen mit Ihren Daten „die Luft ausgeht“. Wer große Datenmengen importiert und auswertet, wird an PowerPivot in Zukunft nicht vorbeikommen.
Und Power BI – das ist natürlich Zukunft schlechthin. Ich sehe dieses Konzept für viele meiner Kunden als Chance, ihr Berichtswesen, das derzeit auf individuellen Excel-Pivots und -Charts basiert mit PowerPoint-Präsentationen und ansatzweise Versuchen, per VBA Struktur in das Chaos zu bringen. Außerdem wird es das eine oder andere Team dazu zwingen, endlich im Team zu arbeiten.
Nicht vernachlässigen sollte man den hohen Aufwand an Lern- und Übungszeit für die BI-Tools. Und auch wenn Microsoft den Eindruck erweckt, mit seinen kostenlosen BI-Tools und preisgünstigen BI-Diensten in der Cloud das BI der Zukunft abzudecken, sollte man nicht vergessen, dass die Zielgruppe das kleine Unternehmen ist. Ab einer bestimmten Unternehmensgröße und dementsprechender Datenmenge wird man um die Dienste von DeltaMaster, prevero, Cubeware, Tableau u.a. nicht herumkommen.
Bei XING gibt es mehrere Power BI Usergroups, zum Beispiel für München:
https://www.xing.com/communities/groups/power-bi-usergroup-munich-316b-1084009
In den Excel-Büchern des Hanser Fachverlags vom Autor Ignatz Schels bzw. dem Autorenteam Ignatz Schels/Prof. Dr. Uwe M. Seidel finden Sie praxisnahe Beschreibungen und Übungen zu den BI-Tools rund um Excel.
Bild 8: Die besten Excel-Bücher bei Hanser
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